Schüler legen mit Projektarbeit Beitrag zur Chronik ihres Ortes vor
von Dr. Christel Siegmund

Die Projektgruppe: Tobias Junge, Magnus Weisheit, Konrad Storandt und Leon Fleischmann.
Die Schüler Tobias Junge, Magnus Weisheit, Konrad Storandt und Leon Fleischmann von der Regelschule Breitungen haben sich im Schuljahr 2017/2018 in ihrer Projektarbeit über früheres und heutiges Gewerbe in Wernshausen intensiv mit der Entwicklung großer und kleiner Unternehmen von Wernshausen beschäftigt, wie Holzbau, Papierfabrik, Kammgarn, Sandvik, MALA sowie Bäckerei Frank, Fleischerei Rommel und Orthopädie Jakob. Der vorliegende Artikel berschreibt, wie sie diese Aufgabe bewältigten und welche inhaltlichen, methodischen und organisatorischen Probleme sie dabei lösten – unterstützt durch die Betreuerin Birgit Krech (Lehrerin) und mich (externe Betreuerin).
Recherche und Materialsammlung
Nachdem sich die Schüler mit dem oben genannten Rahmenthema bekannt gemacht hatten, mussten sie klären, wer von ihnen welches Unternehmen im Hinblick auf seine Entwicklung in Vergangenheit und Gegenwart genauer untersucht. Die Absprachen führten zu einer deutlichen Arbeitsteilung, wobei sich beim methodischen Vorgehen viele Gemeinsamkeiten zeigten.
Sehr zeitaufwendig war die Materialsammlung: Es galt, aus landeskundlichen Veröffentlichungen, Orts-, Betriebs- und Familienchroniken, geschichtlichen Aufbereitungen, Gedenkblättern, Festschriften und persönlichen Aufzeichnungen von Firmen sowie einzelnen Bürgern wichtige Daten herauszufiltern und chronologisch zu ordnen. Neben dieses Textzeugen wurden auch sachkundige Betriebsangehörige und gesprächsbereite Bürger in die Recherche einbezogen. Außerdem sichteten die Schüler unzählige historische Bilder aus den verschiedensten Sammlungen und Quellen und fertigten eigene aktuelle Fotografien an.
Die schwierige Arbeit des Schreibens
Aus der Fülle der Fakten und Abbildungen mussten die vier Schüler nun einen logisch aufgebauten und für andere nachvollziehbaren, verständlichen Text erstellen. Das war gar nicht so einfach: Wer geschichtliche Abläufe beschreiben will, gerät in Versuchung, stereotype Formulierungen mit vielen Wiederholungen im Satzbau (z.B. „ wurde “) zu verwenden. Außerdem lernten die Schüler beim Texterstellen die wichtige aber harte Kunst des Weglassens. Ständig mussten sie entscheiden: Welche Daten bzw. Formulierungen sowie Abbildungen sind unbedingt notwendig bzw. wesentlich – bezogen auf das Thema! Das fiel allen sehr schwer, denn wie sollten sie jetzt auf das verzichten, was sie mühselig zusammengesucht hatten? Aber die Schule hatte ein Limit für den Umfang der Arbeit vorgegeben. Also wurde immer wieder gekürzt, zusammengefasst, dann wieder ergänzt, erweitert. Überleitungen und Zusammenhänge mussten hergestellt und Schlussfolgerungen gezogen werden! Das war der schwierigste Teil der Projektarbeit.
Neben den chronologischen Daten zu den einzelnen Firmen, verbunden mit starken Familientraditionen, interessierten sich die Schüler besonders für folgende Aspekte:
- holzverarbeitende Industrie und Flößerei,
- papierverarbeitende Industrie in Verbindung mit Altpapier, Recyclingpapier und Umweltschutz,
- Kammgarnspinnerei und ihr Einfluß auf die Region,
- vielfältige Palette der MALA-Verschlusssysteme mit Anwendung des Offset-Drucks.
Inhaltlich zeigten sie in ihrer Arbeit die offensichtlichen Zusammenhänge zwischen der industriellen und der gesellschaftlichen Entwicklung auf. Politische Ereignisse, Katastrophen, technische Neuerungen, gesellschaftliche Normen: Wie sie alle wechselseitig aufeinander wirken, konnten die Schüler anhand ihrer Beispiele beeindruckend darstellen. Kriege, Großbrände (vor allem im Holzbau), Zusammenbrüche und Wiederaufbau, industrielle Neuentwicklungen, Änderung der Machtverhältnisse (Weimarer Republik, Naziherrschaft, Besatzungsmacht, DDR, Wende, Niedergang und Aufschwung danach), umfangreiche Investitionen durch private und staatliche Geldgeber sowie persönliches Engagement der Unternehmer haben die Entwicklung der Gewerbe früher und heute stark beeinflusst.
Besonders wichtig für das planmäßige Realisieren der Projektarbeit waren regelmäßige Rücksprachen mit den Betreuerinnen: Darin beriet man gemeinsam das Vorgehen, die Fortschritte, weitere inhaltliche und zeitliche Schwerpunkte und klärte aufgetretene Unklarheiten.
Layout und Formalia machen Eindruck
Es ist wie überall im Leben: Der beste Inhalt eines Projektes ist nichts ohne eine ansprechende Verpackung. Darum ging es anschließend an die Textgestaltung, Bildbearbeitung und das Layout – kein Problem für die Digital Natives. Etwas schwieriger war da schon die exakte Zitierweise der Literaturangaben und Quellennachweise, hier mussten sich die vier erst in die kleinteiligen Vorgaben einarbeiten. Einige Mühen bereiteten den Schülern ebenfalls die einführenden sowie zusammenfassenden bzw. schlussfolgernden Passagen sowohl für ihre Teilgebiete als auch für die Gesamtarbeit.
Präsentation
Zur Projektarbeit gehört neben der Ausarbeitung des Textes auch eine Präsentation der Ergebnisse. 45 Minuten Zeit, ein Gesamtprojekt, 4 Einzelprojekte und eine Fülle an Inhalten, Materialien und Ergebnissen: Erneut galt es, rigoros zu entscheiden, welche Fakten, historischen Vorgänge, Produktionsabläufe, Zusammenhänge und Bilder in der Präsentation den Zuhörern vorgestellt werden sollten. Sie mussten sich also auf bestimmte Aussagen konzentrieren, ohne dass die Gesamtsicht verlorenging. Klar und fasslich war ihr Vortrag und für ein besseres Verständnis untermauerten sie ihre Aussagen durch Powerpoint, Karten, Bildtafeln, Plakate, Modelle und vor allem Originale (Werkzeuge und Produkte).
Ergebnisse
Die vorliegende Projektarbeit hat eine große Bedeutung für die Aufbereitung der Geschichte von Gewerben in Wernshausen. Es wurden die größten und wichtigsten Unternehmen in Vergangenheit und Gegenwart ausgewählt, umfangreiche Erkundungen durchgeführt und die Daten durch zahlreiche Bilder veranschaulicht. Eine solche systematische Bearbeitung von Geschichtsdaten zur Entwicklung ausgewählter Betriebe von Wernshausen gibt es bisher nicht – abgesehen von der Veröffentlichung Gina Kulawiks zur Kammgarnspinnerei.
In einer Präsentation im Rathaus von Wernshausen (ehemal. Wohnhaus der Sägewerksbesitzer Fischer) konnten die Schüler überzeugend und sehr anschaulich mit vielen originalen Erzeugnissen aus der Produktpalette der Betriebe die Entwicklung von ausgewählten Gewerben des Ortes demonstrieren. Ferner gestalteten sie mit ihren Produktbeispielen eine Ausstellung anlässlich der Veranstaltung (am 28.04.2018) zur Geschichte des Ortes, insbesondere der Sägewerke und der Ereignisse in der Vor- und Nachkriegszeit.
Ausblick
Um die Ausarbeitungen einem größeren Leserkreis bekanntzumachen, wurden sie in der Broschüre Gewerbe früher und heute in Wernshausen (Heft 24 der „Wernshäuser Heimatblätter“) gedruckt und stehen zum Kauf von 10,- € bereit (im Rathaus, Einkaufszentrum und bei Dr. Siegmund).
Auf diese Weise soll diese wertvolle und inhaltsreiche Projektarbeit eine größere Öffentlichkeit erreichen. Außerdem möchten wir mit diesem Beispiel Jugendliche und auch ältere Bürger anregen, sich mit der Geschichte unseres Ortes zu befassen und die individuellen Erkenntnisse bekannter zu machen. Es gibt noch zahlreiche Unternehmen, bei denen sich eine geschichtliche Aufarbeitung lohnen würde. Deshalb soll diese Projektarbeit auch eine Motivation für Bürger und Betriebe darstellen, die sicher schon viele Daten zu ihrer Entwicklung gesammelt haben, aber nur in ihrem eigenen Speicher. Um für die Ortsgeschichte Bedeutung zu erlangen, müssen sie aufbereitet und veröffentlicht werden.
Es ist höchste Zeit, sich diesem Anliegen zu stellen und die Herausforderung anzunehmen.
Literatur:
T. Junge, M. Weisheit, K. Storandt, L. Fleischmann, Ch. Siegmund: Gewerbe früher und heute in Wernshausen. Projektarbeit der Regelschule Breitungen (Wernshäuser Heimatblätter 24), 2018
Zum Weiterlesen:
Gina Kulawik: 475 Jahre Zwick – Vom Eisenhammer zur Kammgarnspinnerei. Die Geschichte eines Industriegebietes von den Ursprüngen 1536 bis zur Revitalisierung des Geländes der ehemaligen Kammgarnspinnerei, 2013.
Gedenkblatt zum hundertjährigen Bestehen der Firma E. & S. Fischer Dampfsäge-, Hobelwerk und Holzhandlung Wernshausen, Wernshausen 1913.
Werra Papier Sofidel: 140 Jahre Werra Papier. Ein Unternehmen der Sofidel-Gruppe, 2012.
Verband deutscher Papierfabriken (VDP): Papierschule, Bonn 2015.
WERRA PAPIER Wernshausen GmbH: Werra, das ist Papier seit 1872 in Wernshausen, 1997.
Gemeinde Wernshausen (Hg.): Wernshausen im Wandel der Zeiten, Horb am Neckar 1998.
Autorenkollektiv unter Leitung von Chr. Siegmund: Festschrift 825 Jahre Wernshausen, 2009.
Zur Autorin: Dr. habil. Christel Siegmund (geboren 1941 in Wernshausen), ist Mitglied der Gesellschaft Kulturerbe Thüringen e.V. Sie studierte Landwirtschaft und Pädagogik in Leipzig und befasst sich seit 2000 intensiv mit der (Wernshäuser) Mundart.