Der Verein „Jugend für Dora“ e.V. engagiert sich seit zwei Jahrzehnten für die Erinnerung an das KZ Mittelbau-Dora
von Andreas Froese-Karow
Seit 20 Jahren setzt sich der Verein Jugend für Dora e.V. für ein lebendiges Gedenken an das Konzentrationslager Mittelbau-Dora in der Harzregion ein. Dieses runde Jubiläum feiern die Mitglieder des Vereins – etwa 60 Jugendliche und junge Erwachsene – nun mit einer Sonderausstellung, die derzeit in der KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora zu sehen ist. Sie zeigt die wechselvolle Geschichte eines wohl einzigartigen Vereins, der sich mit kreativen, innovativen und Aufmerksamkeit erzeugenden Projekten dafür einsetzt, die Erinnerung an das KZ Mittelbau-Dora im öffentlichen Raum wieder sichtbar und bewusst zu machen.
Die „Fahnen der Erinnerung“: Ein grenzübergreifendes Gedenkprojekt
Im April 1945 rückten US-amerikanische Truppen in die Harzregion vor und befreiten den „Lagerkomplex Mittelbau“: ein System mit etwa 40 KZ-Außenlagern rund um das Hauptlager Dora bei Nordhausen. Zwischen den Jahren 1943 und 1945 wurden insgesamt 60 000 Häftlinge aus ganz Europa dorthin zur Zwangsarbeit deportiert. Mindestens jeder Dritte von ihnen überlebte die grausamen Lebens- und Arbeitsbedingungen in den Lagern nicht. Tausende Häftlinge starben zudem noch kurz vor Kriegsende auf den Räumungstransporten und Todesmärschen, auf die die SS-Angehörigen im Frühjahr 1945 die KZ-Häftlinge vor den heranrückenden US-amerikanischen Truppen zwangen.
70 Jahre später, im April 2015, werden die räumlichen Ausmaße des einstigen „Lagerkomplex Mittelbau“ in der Harzregion wieder sichtbar. Binnen weniger Tage stehen in 32 Gemeinden plötzlich sichtbare Gedenkzeichen auf den zentralen Hauptstraßen und Marktplätzen: die sogenannten „Fahnen der Erinnerung“. Von Weitem zu erkennen und gut lesbar, tragen sie die Namen aller ehemaligen Außenlager des KZ-Mittelbau-Dora und die bewusst offen gehaltene Frage „Was bleibt?“. Bodenaufkleber auf dem Asphalt informieren die Öffentlichkeit neben den Fahnen über die konkrete Geschichte des jeweiligen KZ-Außenlagers, das sich auf dem heutigen Gebiet der einzelnen Gemeinde befand. Zeitgleich und grenzübergreifend prägen die „Fahnen der Erinnerung“ im Frühjahr 2015 das Erscheinungsbild der gesamten Region zwischen Artern und Osterode, zwischen Ilsenburg und Rehungen.
Das Gebiet, das den damaligen Bereich der rund 40 Lager umfasst, erstreckt sich nun über die drei Bundesländer Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Trotz seiner zentralen Lage mitten in Deutschland ist es bis heute eine von Grenzen und Grenzziehungen geprägte Region geblieben. Nach Kriegsende durchtrennten zunächst die alliierten Besatzungszonen, später über viele Jahrzehnte hinweg die innerdeutsche Grenze den Harz. Damit verschwand die Erinnerung an die einstigen Mittelbau-Lager aus dem kulturellen Gedächtnis der Region. Auch auf der lokalen Ebene in vielen Städten und Gemeinden: An den einstigen Standorten der Appellplätze und Baracken befinden sich heute nachkriegszeitliche Gebäude, Wiesen und Wälder. Oft ohne sichtbaren Hinweis auf die KZ-Vergangenheit. Von den früheren Konzentrationslagern an diesen Orten ist meist nichts mehr zu sehen. So ist es kaum verwunderlich, dass sich der genaue Standort mancher ehemaliger Lager inzwischen gar nicht mehr bestimmen lässt.
Umso überraschter sind viele Anwohner im April 2015 beim Anblick des seltsamen Treibens auf den Straßen und Plätzen in ihren Gemeinden: Gruppen junger Menschen, die auffallende Fahnen aufstellen und bunte Bodenaufkleber anbringen, die Informationsbroschüren verteilen und den Dialog mit den Passanten suchen. In den Gesprächen erfahren sie mehr: dass es sich um eine Aktion des Vereins Jugend für Dora e.V. zum 70. Jahrestag der Befreiung des KZ Mittelbau-Dora handelt. Dass auch ihre Heimatstädte und -dörfer eine KZ-Geschichte haben. Und dass die jungen Menschen sich ehrenamtlich mit Spaß und Freude für ihren Verein engagieren. Genau so funktioniert die Idee der „Fahnen der Erinnerung“: Die Bevölkerung vor Ort wird aufmerksam und neugierig, Anwohner und Stadtverwaltungen beginnen sich für die KZ-Geschichte „vor ihrer Haustür“ zu interessieren, Medien berichten über das Gedenkprojekt und das inhaltliche Anliegen der Vereinsmitglieder.
Die Botschaft der jungen Menschen klingt einfach: Die Erinnerung an den „Lagerkomplex Mittelbau“ beschränkt sich nicht nur institutionell auf die heutige KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora, sondern betrifft gleichermaßen auch alle Städte und Dörfer, in denen sich ein oder mehrere Außenlager des KZ Mittelbau-Dora befanden. Nicht in allen Gemeinden mit einer KZ-Vergangenheit ist dies selbstverständlich. Dennoch beteiligen sich erfreulicherweise alle 32 Kommunen im Harz: Vorab genehmigen sie dem Verein das öffentliche Aufstellen der Fahnen und übernehmen sogar die Herstellungskosten für die Fahnen auf ihren Straßen und Plätzen. Bei den Feierlichkeiten zum Jahrestag der Befreiung des KZ Mittelbau-Dora im April 2015 besuchen viele Überlebende nicht nur die KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora, sondern auch die Fahnen in „ihren“ einstigen Außenlager-Gemeinden. Und wenige Wochen später erhält das Projekt „Fahnen der Erinnerung“ sogar den ersten Anerkennungspreis des Thüringer Demokratiepreises 2015. Die offizielle Begründung der Jury: „Fahnen der Erinnerung“ sei eine einfache und grenzübergreifende Projektidee, die zeige, wie sich von zivilgesellschaftlicher Seite eine aktive und lebendige Mitmach-Gedenkkultur im öffentlichen Raum gestalten lasse.

Die “Fahnen der Erinnerung” am ehemaligen Lagerbahnhof des KZ Mittelbau-Dora (Quelle: Homepage „Fahnen der Erinnerung“)
Rückblick: Die Anfänge eines „ungewöhnlichen Jugendvereins“
Dass es den Mitgliedern des Vereins Jugend für Dora e.V. einmal gelingen würde, das erste grenzübergreifende Gedenkprojekt zur Geschichte des KZ Mittelbau-Dora in der gesamten Harzregion zu organisieren, war bei der Gründung des Vereins vor 20 Jahren noch nicht abzusehen. Es waren zunächst die Überlebenden des KZ Mittelbau-Dora selbst, die beim 50. Jahrestag ihrer Befreiung im April 1995 den Wunsch nach einem Verein mit jungen Menschen äußerten. Dessen Mitglieder – so der Wunsch der Überlebenden – mögen die Erinnerung an die Mittelbau-Lager in der Harzregion in die nächsten Jahrzehnte und Generationen weitertragen. Eine konstruktive Idee und zugleich eine vorausschauende Antwort, mit der die Überlebenden in den 1990er-Jahren aktiv auf das zukünftige „Ende ihrer Zeitzeugenschaft“ reagierten.
Ihrem öffentlichen Aufruf in den lokalen Medien folgten schließlich vier junge Menschen, die sich am 8. Mai 1995 zur Gründungssitzung des Vereins in Nordhausen trafen. Name, Aufgaben und Logo der neuen Vereinigung „Jugend für Dora“ waren schnell gefunden, zwei Jahre später folgte die offizielle Eintragung als Verein beim Amtsgericht Nordhausen. Auch einige Überlebende des KZ Mittelbau-Dora schrieben das Gericht an und baten um eine unbürokratische Aufnahme der Vereinigung in das lokale Vereinsregister. So entstand ein Verein, der es sich laut seiner Satzung zur Aufgabe machte, „einen Beitrag zum Verständnis der Geschichte des Nationalsozialismus zu leisten. Im Einzelnen bedeutet das Bewusstmachung historischer Orte und Ereignisse und ihre Wirkung in Vergangenheit und Gegenwart, Aufklärungsarbeit, Informationsbereitstellung, Bewahrung des Gedenkens und der Erinnerung, generationsübergreifende Sensibilisierung und Zusammenarbeit sowie interkulturelle Kommunikation und Kooperation in verschiedenen Projekten.“ Dafür sollte die KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora, damals noch in der Trägerschaft des Landkreises Nordhausen, als ein Ort der Begegnung bekannt gemacht und genutzt werden.
In den folgenden Jahren traten weitere Mitglieder dem noch jungen Verein bei. Schon mit ihren ersten Gedenkprojekten begaben sie sich sichtbar und gestaltend in den öffentlichen Raum: Sie konzentrierten ihr ehrenamtliches Engagement auf historische Tatorte an den ehemaligen Lagerstandorten im Harz, die sie wieder sichtbar und wahrnehmbar im Bewusstsein der Bevölkerung verankern wollten. So beispielsweise in Ellrich: In dieser Kleinstadt an der Grenze zwischen Niedersachsen und Thüringen befand sich bis April 1945 das KZ Ellrich-Juliushütte, mit etwa 8000 Häftlingen das größte der Mittelbau-Außenlager. Später verlief dort die innerdeutsche Grenze direkt über den ehemaligen Appellplatz. Das Gelände war für die Öffentlichkeit nicht zugänglich. Bedeckt von der Natur und den DDR-Grenzanlagen, geriet es schnell in Vergessenheit. Bis schließlich die Mitglieder von „Jugend für Dora“ in den 1990er-Jahren die bereits vorhandenen Initiativen in der Bevölkerung aufgriffen und zusammenführten. Sie begannen mit der Freilegung der vom Unkraut überwucherten Fundamente, erarbeiteten Hinweistafeln und Informationsmaterialien zur Geschichte des früheren Konzentrationslagers und suchten den Kontakt zu den Überlebenden. Seitdem finden bis heute vor Ort jährliche Gedenkfeiern der Stadt Ellrich und der KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora statt, an denen die KZ-Überlebenden, die lokale Bevölkerung und die Vereinsmitglieder gemeinsam teilnehmen.
Die öffentliche „Wiederentdeckung“ der Geschichte des ehemaligen KZ Ellrich-Juliushütte ist ein gelungenes Beispiel dafür, wie sich der Verein Jugend für Dora vor Ort in der Harzregion für eine optische und inhaltliche Sichtbarmachung der historischen Tatorte im Bewusstsein der Bevölkerung einsetzt. Stets war es ein zentrales Anliegen der jungen Menschen, auf die enge Verflechtung des nationalsozialistischen Lagersystems und des Systems der KZ-Zwangsarbeit mit der regionalen Kriegswirtschaft und der damaligen Zivilgesellschaft hinzuweisen.
In geradezu provokanter Weise verdeutlichte dies das Projekt „LeidFaden“ im August 2003: Mit pinker Wandfarbe zeichneten die Mitglieder quer durch die Stadt Nordhausen drei durchgehende Linien auf das Straßenpflaster, unterbrochen nur durch Schriftzitate ehemaliger KZ-Häftlinge, die von ihren damaligen Erlebnissen im KZ-Außenlager Boelcke-Kaserne berichteten, das sich einst mitten in der Stadt befand. Ziel dieser Gedenkaktion im Rahmen des Internationalen Sommerworkcamps 2003 war es, die Bevölkerung auf die Existenz des Ehrenfriedhofes in der Stadt aufmerksam zu machen. Dort sind mehr als 2500 ermordete Häftlinge des Konzentrationslagers Boelcke-Kaserne bestattet. Viele Nordhäuser Anwohner begrüßten diese Form der sichtbaren Vergegenwärtigung der KZ-Vergangenheit ihrer Stadt. Anderen ging sie zu weit: Mit Schrubbern eilten manche auf die Straße, um die farbige Linie vor ihrem Haus wieder wegzuwaschen. Solche Spannungen und Irritationen im Verhältnis zwischen Teilen der Bevölkerung und den Mitgliedern von „Jugend für Dora“ zeigten sich immer wieder bei den Gedenkprojekten des Vereins. Mal galten die engagierten jungen Menschen einigen Behörden und Bürgern als zu wild und provokant, mal wurden sie als ein „unreifer“ oder „idealistischer Kinder- und Jugendverein“ belächelt und nicht ernst genommen.
Schrittweise Professionalisierung der Vereinsarbeit
Doch die Mitglieder von „Jugend für Dora“ ließen sich davon nicht verunsichern, sondern setzten ihre Vereins- und Gedenkarbeit fort. Um auf ihr thematisches Anliegen weiterhin aufmerksam zu machen, gestalteten sie öffentliche Vorträge, Lesungen, Filmvorführungen und Publikationen. Sie organisierten Studienfahrten zu anderen Gedenkorten und veranstalteten die jährlichen Internationalen Workcamps in der KZ‑Gedenkstätte Mittelbau-Dora für junge Menschen aus aller Welt. Vor allem deren Spuren sind bis heute auf dem Gelände der KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora zu sehen: Ob die Freilegung der Fundamente des ehemaligen Arrestzellenbaus oder die Kennzeichnung der früheren Baracken-Standorte und -umrisse mit weißer Farbe und Steinen im Wald. Wegen ihres Ansatzes, „Brücken zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart zu bauen“ und gleichzeitig zwischen verschiedenen Nationen und Kulturen Verständnis und Akzeptanz zu fördern“, erhielt „Jugend für Dora“ im November 2007 den Regine-Hildebrandt-Preis für zivilgesellschaftliches Engagement.
Doch zu den wohl wichtigsten Erlebnissen der jungen Menschen zählten nicht die öffentlichen Ehrungen und Preisverleihungen, sondern die Begegnungen und Gespräche mit den Überlebenden des KZ Mittelbau-Dora. Nicht nur bei den Jahrestagen der Befreiung in der KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora, sondern auch bei privaten Besuchen, zu denen viele Überlebende die Vereinsmitglieder zu sich nach Hause einluden. Mit einigen entwickelten sich geradezu familiäre Beziehungen, die die Vereinsmitglieder auch zur fachlichen Dokumentation der historischen Zeugnisse für die Nachwelt einsetzten.
„Die Zukunft der Zeitzeugen“ hieß ein mehrjähriges mediales Interview-Projekt, das sie 2010 veröffentlichten. Im Jahr 2014 folgte ein fünfsprachiger Bildband, den die Vereinsmitglieder vor allem den Überlebenden widmeten. Darin ließen sie die Zeitzeigen in lebensgeschichtlichen Interviews zu Wort kommen und fragten sie nach ihren persönlichen Vorstellungen für zukünftige Formen der Erinnerung und des Gedenkens.
Die Frage, was „Jugend für Dora“ genau ist, lässt sich auch heute – 20 Jahre nach seiner Gründung – nicht leicht beantworten. Weder handelt es sich um einen klassischen Förderverein noch um eine Jugendorganisation der KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora. Der Verein ist ein unabhängiger Zusammenschluss, der in Nordhausen und in der gesamten Harzregion als ein eigenständiger und selbstbewusster Akteur auftritt. Und der heute längst mehr als ein reiner „Jugendverein“ ist: Die inzwischen erwachsen gewordenen Mitglieder haben viele Erfahrungen gesammelt und ihre vereinsinterne Arbeitsweise professionalisiert. Um neue Projekte durchzuführen, treffen sie sich zu regelmäßigen Sitzungen, bilden Arbeitsgruppen, schreiben Protokolle und stimmen über Beschlussvorlagen ab. Aus den turbulenten Gründungs- und Anfangsjahren der organisatorischen Improvisation entwickelte sich ein Verein, der eine moderne Medien- und Öffentlichkeitsarbeit mit Internetseite und Social Media, mit Pressemitteilungen, Vereinslogo und Briefköpfen im Corporate Design betreibt. Auch die notwendige Vereinsbürokratie mit Rechnungswesen, Steuererklärungen und Projektmittelanträgen gehört dazu. Manchmal eine logistische Herausforderung, da die meisten Mitglieder von „Jugend für Dora“ heute nicht mehr in der Harzregion, sondern deutschlandweit wohnen. Viele arbeiten im Bildungs-, Wissenschafts- und Gedenkstättenbereich. Dennoch reisen sie in ihrer Freizeit weiterhin zu den Vereinstreffen nach Nordhausen an. Stets gilt es in der Vereinsarbeit, ein Gleichgewicht zwischen den enormen Altersunterschieden und Erfahrungsspannen der Mitglieder zu finden. Doch einen Teil ihrer ursprünglichen, eher unbürokratischen Arbeitsweise des kreativen, unabhängigen und bisweilen mutigen Querdenkens in der öffentlichen Gedenkarbeit, ihre Freude am Ausprobieren und am gemeinsamen Austausch haben sich alle im Verein bis heute bewahrt.
Die Jubiläums-Ausstellung des Vereins: Rückblicke, Einblicke, Ausblicke
Zwei Jahrzehnte „Jugend für Dora“ haben sichtbare Spuren hinterlassen. Das zeigen die jungen und jung gebliebenen Vereinsmitglieder in ihrer Ausstellung, die sie anlässlich ihres runden Jubiläums gemeinsam erarbeitet haben. Eine geradezu spielerische Gestaltung mit Holzregalen, deren Präsentation von Texten, Fotos, Objekten und Medienstationen den Besucher in eine kreative Werkstatt blicken lässt, präsentiert ausgewählte Meilensteine der Vereinsarbeit von den Anfängen bis heute. Fünf thematische Ausstellungskapitel strukturieren das vielseitige Engagement des Vereins in die Bereiche Gründung, Projekte, Jahrestag, Workcamps und Vereinskultur. Wie aktualitäts- und gegenwartsbezogen manche Vereinsprojekte auch jenseits des
thematischen Bezugs zur KZ-Geschichte sind, zeigt beispielsweise eine Medienstation mit Stimmen und Eindrücken zum Thema „Flüchtlingsschicksale und Migration“, die „Jugend für Dora“ im Jahr 2010 von Betroffenen sammelte, die nach ihrer Flucht in Nordthüringen eine vorübergehende Bleibe fanden. Mancher Besucher der Ausstellung äußerte sich „einerseits nachdenklich, andererseits fasziniert vom ausgeprägten Gespür der Jeunes engagés für Themen, die demnächst – sprich, heute – unter den Nägeln brennen.“
Der Titel „Vielleicht ist dein Grün mein Blau – 20 Jahre Jugend für Dora“ mag manche zunächst irritieren. Hinter dieser Formel steckt jedoch das eigentliche Geheimnis der inneren Vereinskultur von „Jugend für Dora“. Auch wenn die Mitglieder oftmals heftige inhaltliche Auseinandersetzungen mit Debatten bis in die späten Nachtstunden austragen, pflegen sie einen gegenseitigen Umgang voller Respekt und Wertschätzung. Und am Ende jeder ausführlichen Diskussion stehen immer basisdemokratische Entscheidungen und Mehrheitsbeschlüsse, die alle gemeinsam mittragen. Weitere Ausstellungsstücke wie Schlafsäcke, Fotos vom gemeinsamen Kochen und Essen zeigen, wie sich engagierte Vereinsarbeit und wertschätzende Vereinskultur in „Jugend für Dora“ untrennbar miteinander verbinden.
Der Blick zurück nach vorn
Nach zwei Jahrzehnten Vereinsarbeit blicken die Mitglieder von „Jugend für Dora“ auch nach vorne. Nicht nur mit Vorfreude auf die nächsten 20 Jahre zivilgesellschaftliches Engagement, sondern auch mit Trauer und Unbehagen. Dass die Begegnungen mit den Überlebenden immer seltener werden, ist allen bewusst. Deren Vermächtnis, die Erinnerung an das KZ Mittelbau-Dora für die Zukunft zu bewahren und lebendig zu gestalten, nehmen die jungen Menschen weiterhin wahr. Das wissen auch die Mitarbeitenden der KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora zu schätzen. Anerkennend würdigte Gedenkstättenleiter Dr. Stefan Hördler nach dem 70. Jahrestag der Befreiung des KZ Mittelbau-Dora das Engagement des Vereins: „Was die Überlebenden besonders stark bewegt hat – und damit haben wir in der Gedenkstätte einen wahren Schatz – das war Jugend für Dora, die mit großem Engagement alle Tage vorbereitet und begleitet haben.“ Die Harzregion darf sich auf die weitere Gedenk- und Vereinsarbeit von „Jugend für Dora“ freuen.
Die Ausstellung „Vielleicht in dein Grün mein Blau – 20 Jahre Jugend für Dora“ ist bis zum 16. Mai 2016 in der KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora zu sehen.
Weitere Infos
Weitere Informationen gibt es online unter: www.jugend-fuer-dora.de.
Die Facebookpräsenz des Vereins: http://bit.ly/1ScvRb5
Zum Weiterlesen
Scheuer, Brita: „Jugend für Dora“ – ein ungewöhnlicher Jugendverein stellt sich vor, in: Gegen Vergessen, für Demokratie 21 (1999), S. 29–31.
Prochaska, Kathy: Jugend für Dora: Internationale Jugendvereinigung. Eine Dokumentation – drei Jahre Vereinsarbeit, Duderstadt 2000.
Eine Broschüre zeigt die Bedeutung des Jahrestages der Befreiung für die Vereinsmitglieder: http://bit.ly/1S5Ojjg
Über das Projekt „Die Zukunft der Zeitzeugen“ informiert eine weitere Informationsbroschüre: http://bit.ly/1Zs4b54
Zum Autor: Andreas Froese-Karow, Historiker, leitet seit 2015 die Gedenkstätte Feldscheune Isenschnibbe und ist Mitglied im Verein Jugend für Dora e.V.