Max Weber – ein Porträt

Universalgelehrter mit Erfurter Wurzeln

von Martin Röw

Der Name Max Weber ist untrennbar mit der Stadt Erfurt verbunden. Der Sohn der Thüringer Landeshauptstadt gilt als Klassiker und Begründer des modernen Universitätsfachs Soziologie. Sein Einfluss auf die moderne Sozialwissenschaft, also der Wissenschaft vom Zusammenleben der Menschen, ist unbestritten. Unzählige Stichworte gehen auf sein Wirken und Denken zurück. Viele zeitgenössische Philosophen und Soziologen beziehen sich auf Max Weber, setzen sich mit seinen Ideen auseinander und führen wichtige Gedanken fort.

Leben

Maximilian Carl Emil Weber erblickte am 21. April 1864 im seinerzeit preußischen Erfurt das Licht der Welt. Die ersten fünf Jahre seines Lebens verbrachte er in den Straßen, in denen wir heute verkehren. Weber bestaunte wie die heutigen Erfurter den Dom und die Zitadelle Petersberg. Sein Vater, Max Weber senior, war mehrere Jahre in der Thüringer Garnisonsstadt als Stadtrat tätig, bevor es den ehrgeizigen Politiker samt seiner Familie und dem damals erst fünfjährigen Max Weber nach Charlottenburg bei Berlin zog. Des Vaters Tätigkeit als Abgeordneter des Preußischen Abgeordnetenhauses und des Deutschen Reichstags machten auf seinen Sohn Max enormen Eindruck. Das Bild des tatkräftigen Vaters als erfolgreicher Berufspolitiker stand Max Weber zeitlebens vor Augen.

Max Weber 1878 (Public domain)

Weber wuchs in wohlhabenden und gebildeten Kreisen auf. Während die väterliche Seite im westfälischen Finanzbürgertum verwurzelt war, entsprang die mütterliche Linie dem deutschen Bildungsbürgertum. Max besuchte ab 1870 eine Privatschule und ein Charlottenburger Gymnasium. Das geistig anregende Umfeld des Elternhauses mit seinen hochrangigen Persönlichkeiten übte starken Einfluss auf den jungen Weber aus. Folgerichtig entschied er sich für ein Studium in Heidelberg mit dem Hauptfach Jura, das er mit Kursen in der Geschichte, der Nationalökonomie, der Theologie und der Philosophie ergänzte. Die Studienjahre in Heidelberg und später Berlin erfuhr Weber als prägend, auch weil sein Wehrdienst in Straßburg in diese Zeit fiel. Zielstrebig setzte er seine Studien bei einem „Doktorvater“ fort, um schließlich 1889, gerade einmal 25 Jahre alt, mit „magna cum laude“ (sehr gut) zum Dr. jur. promoviert zu werden. Nur drei Jahre später übernahm er erste Lehrveranstaltungen in der akademischen Wissenschaft. Es folgten Professuren in Freiburg und Heidelberg, bevor er sich bereits 1899 aus gesundheitlichen Gründen aus der Universitätswelt weitgehend zurückzog. Von da an war er nur noch Honorarprofessor, ohne zu lehren und ohne Sitz und Stimme in der Fakultät. Trotz der Niederlegung seiner universitären Ämter blieb Weber der akademischen Welt nahe, mehr noch: Bis zu seinem Tod publizierte er jedes Jahr Werke, die seine wissenschaftliche Schaffenskraft bezeugen. Er lebte als Privatgelehrter in Heidelberg, bis er, nach einem Gastsemester an der Universität in Wien, 1919 nochmal eine Professur an der Universität München antrat. Nur kurze Zeit später, am 14. Juni 1920, erlag Weber jedoch den Folgen einer Lungenentzündung in München.

Werk

Seine Gedanken und Begriffsbildungen sind noch heute Teil des Lehrplans in der universitären Soziologie, Geschichte und der Politikwissenschaft und dienen oft als Grundlage moderner Forschungen – so beispielsweise seine Definitionen von Macht und Herrschaft. Der Wissenschaftler Weber hatte zahlreiche Forschungsinteressen. Als Sozialwissenschaftler, der soziales Handeln verstehen, deuten und dadurch in seinem Ablauf und seinen Wirkungen ursächlich erklären wollte, erforschte er vornehmlich die Eigenart und Entwicklung des zeitgenössischen Europas und damit des mittelmeerisch-westlichen Kulturkreises. Für Weber war die europäische Entwicklung etwas Besonderes. Er schrieb den europäischen Zivilisationen einzigartige kulturelle und institutionelle Errungenschaften zu. Er dachte dabei an den bürokratischen Verfassungsstaat, die experimentelle Naturwissenschaft, die akkordharmonische Musik, die perspektivische Malerei, vor allem aber Marktwirtschaft und Kapitalismus. Sein Bestreben war es nun, die Entstehung all dessen zu erklären. Weber spürte diesen Errungenschaften bis in ihre religiösen Wurzeln nach. Besonders interessierte sich Max Weber hier für den Zusammenhang zwischen Protestantismus und wirtschaftlichem Erfolg. Er suchte die Wurzel des Gewinnstrebens in europäischen Gesellschaften in dem Erbe der protestantischen Reformation. Weber arbeitete diese Sondererscheinungen des mittelmeerisch-westlichen Kulturkreises aber nicht heraus, um seine Überlegenheit, sondern um seine Andersartigkeit gegenüber anderen Kulturkreisen zu betonen. Seine Studien untersuchen nicht allein die Herkunft der modernen westlichen Kultur, sondern beleuchten auch ihre voraussichtliche Zukunft, und dies im Blick auf andere Kulturentwicklungen. Insofern dienen sie der Verständigung über uns selbst – gemäß der Einsicht, dass nur der seine Kultur kennt, der nicht nur seine Kultur kennt.

Wichtig war Weber stets, dass die Wissenschaft versuchen solle, sich möglichst jeglicher Werturteile zu enthalten. Seine persönlichen Ansichten brachte er außerhalb der Wissenschaft vor. In seinem Selbstverständnis war Max Weber kein Gelehrter im Elfenbeinturm, sondern ein Universalgelehrter, der sich politisch beratend und publizistisch kommentierend engagierte. Es nimmt daher nicht Wunder, dass er sich zur Kriegsführung des Deutschen Kaiserreiches äußerte. Ein deutliches Zeichen der Wertschätzung Webers durch Zeitgenossen war die Berufung zum Sachverständigen der deutschen Delegation bei der Friedenskonferenz zum Versailler Vertrag.

Max Weber heute

Der Erfurter Max Weber gehört zu den weltweit anerkannten deutschen Wissenschaftlern des 20. Jahrhunderts. Wichtige Teile seines Werkes sind inzwischen in viele Sprachen übersetzt. Sein Werk bietet bis in die Jetztzeit hinein Anstöße zu Diskussion und Forschung. Erst vor wenigen Wochen kamen in Bonn im Rahmen der Tagung „Max Weber in der Welt“ Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der ganzen Welt, unter anderem aus China, Polen, Italien, Großbritannien, dem Libanon und den Vereinigten Staaten zusammen, um ihre Gedanken zur Bedeutung Max Webers und seines universalhistorischen Werks für die Wissenschaft auszutauschen.

Gedenktafel am Geburtshaus in Erfurt (Foto: Martin Röw)

Max Webers Name (und der seines Bruders) wird von seiner Heimatstadt Erfurt mit einer Gedenktafel an seinem Geburtshaus nahe „Am Ententeich“ geehrt. Doch damit nicht genug der Ehrung für den gebürtigen Thüringer: Um die Wissenschaftler Max Weber und seinen Bruder Alfred Weber als Söhne der Stadt Erfurt zu ehren, hat die Universität Erfurt 2002 eine „Max-Weber-Allee“ und einen „Alfred-Weber-Platz“ auf ihrem Campusgelände eingeweiht. Sie stehen als sichtbare Zeichen für die Verbindung Erfurts zu seinem bekanntesten wissenschaftlichen Sohn. Webers wissenschaftliches Erbe wird im Herzen der Stadt Erfurt, auf dem Gelände der ehemaligen Kunstgewerbeschule Am Hügel, bewahrt. Am nach ihm benannten Max-Weber-Kolleg für kultur- und sozialwissenschaftliche Studien, einem Graduiertenkolleg der Universität Erfurt, werden die Ideen und Grundlegungen des Namenspatrons des Hauses kreativ angeeignet und weiterentwickelt. Am 1. April 1998 nahm es seinen Lehr- und Forschungsbetrieb auf. Eine Handvoll internationale Professoren, die auf Zeit an das Kolleg kommen, um zu forschen, unterrichten mehrere Dutzend KollegiatInnen. Diese jungen Studenten nehmen teil an gemeinsamen Lehrveranstaltungen und schreiben innerhalb von drei Jahren eine Doktorarbeit, die thematisch an Webers Gedanken anknüpft. Die Kollegiaten stammen, wie die Professoren auch, aus verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen. Sie beschäftigen sich im Rahmen des spezifischen Weber-Forschungsprogramms mit Religion, Wissenschaft und Recht als Deutungs- und Steuerungsmächte, mit Wechselwirkungen zwischen Kulturen, gesellschaftlichen Ordnungen und Mentalitäten im Wandel und ethischen Fragen. Sie tragen damit Sorge dafür, dass Webers wissenschaftliches Erbe vor Ort in Erfurt weitergeführt wird und beständig Anknüpfungspunkte zum aktuellen Zeitgeschehen gesucht und gefunden werden.

Zum Autor: Martin Röw, gebürtig aus Magdeburg, ist leidenschaftlicher Wahlthüringer. Er promoviert am Max Weber Kolleg in Erfurt mit einer Arbeit über „Seelsorge unter dem Hakenkreuz“.

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