Italienische Renaissance in Thüringens Osten

Lindenau-Museum Altenburg und seine Sammlung früher italienischer Malerei

von Robert Eberhardt

"Lorenzo Monaco: Flucht nach Ägypten, um 1410

Besorgt schaut Joseph, den zahmen Esel am Seile führend, zurück: zu Maria, zu seinem Sohn. Die heilige Familie zieht durch einen düsteren Wald. Sie ist auf der Flucht nach Ägypten. In einer intensiven Farbigkeit hat Lorenzo Monaco aus Siena als Vertreter des „Weichen Stils“ diese Szene in ein gotisch gerahmtes Bildfeld gemalt, die Figuren gekonnt angeordnet und in eine dunkle, geheimnisvoll wirkende Umgebung gestellt. Die Farbintensität unterstreicht das Immaterielle, das Sakrale der Begebenheit. Das um 1410 entstandene Gemälde ist einer von vielen Schätzen des Lindenau-Museums in Altenburg.

In der ostthüringischen einstigen Residenzstadt erwartet den Besucher eine Sammlung frühitalienischer Gemälde, wie er sie sonst nur in großen und weitaus berühmteren Museen erwarten darf. Vielen Kunstkennern ist dieses besondere Museum am Stadtpark ein Begriff, doch dem weitaus größeren Teil von Museumsbesuchern nach wie vor unbekannt. 180 Tafeln italienischer Malerei vom 13. bis zum 16. Jahrhundert vereint die Sammlung und zählt damit zu einer der größten außerhalb Italiens. Der Staatsmann und Gelehrte Bernhard August von Lindenau (1779–1854) sammelte die Gemälde, eröffnete 1848 ein erstes Museum, dessen Kunstwerke seit 1876 in dem heute noch zu bestaunenden Museumsbau zu sehen sind.

Saal mit den Hauptwerken der italienischen Sammlung

Die aktuelle Hängung der italienischen Tafeln folgt seinem Sinne nach regionalen Schulen: neben den sienesischen Malern (Pietro Lorenzetti, Lippo Memmi, Giovanni di Paolo und Sano di Pietro), finden wir Vertreter der florentinischen Szene (Bernardo Daddi, Lorenzo Monaco, Masaccio, Filippo Lippi, Fra Angelico) sowie Maler aus Umbrien und Oberitalien (Luca Signorelli, Pietro Perugino, Marco Zoppo und Giovanni Santi, der Vater Raphaels).

Wer die Räume mit den Bildern des Trecento und Quattrocento betritt, den beschleicht ein seltsames, eigenes Gefühl: Dass er sich hier Kunstwerken gegenüber gestellt sieht, die so ganz anders sind, als die Historiengemälde, Porzellane und Büsten in anderen Thüringer Schlössern und Museen. Ein wenig unnahbar wirken die Tafelgemälde mit ihrer fernen Bildsprache, oft spröde, teils noch byzantinisch golden glänzend oder schon realistisch mit der Zentralperspektive experimentierend – immer und stets umgibt sie etwas Geheimnisvolles, als ob sie stille, alte Wahrheiten verbergen.

Die Erläuterungen des Handbuchs oder einer Führung ermöglichen eine erste Annäherung an die Gemälde. Sie erklären die Zusammenhänge ihres Entstehens südlich der Alpen am Übergang der Gotik zur Renaissance. Doch mehr noch als Lesen und Hören, ist das Sehen gefragt, die persönlichste und eindrucksvollste Begegnung mit diesen Bildern. Wer sich darüber hinaus die Zeit nimmt und in die Bildwelt eintaucht, wird zuhauf belohnt werden. Ihm werden Dialoge zu den Porträtierten und seit langem toten Edelleuten ermöglicht, Aufnahme und Erkenntnis christlicher Erzählungen angeboten, Einfühlung in die emotional so vielschichtigen Darstellungsweisen der Madonna mit dem Christuskind im Arme gegeben oder auch nur freudige Überraschung über ein mit Finesse gemaltes Detail geschenkt.

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Die Motive in Anordnung, Farbigkeit, Perspektive und Malweise anzusehen und zu vergleichen, wird zu einem beglückenden Erlebnis des Kunstgenusses. Die überschaubare Größe des Museums und dessen Sammlung hinterlässt ein Gefühl der Zufriedenheit, weil eine eingängige Begegnung mit dem einzelnen Bild hier möglich ist und nicht wie in den großen Museumsfabriken von Besucherhorden behindert wird. Nicht jede Tafel zeugt von hohem künstlerischen Eigenwert, denn viele Bilder entstammen Werkstätten von eher unselbstständiger Gestaltungskraft und sind aus ihrem ursprünglichen Kontext als Teil eines Altars entrissen. Doch jedes Gemälde lohnt der Beschäftigung, die Meisterwerke insbesondere. Das Frauenporträt Sandro Botticellis gilt ungefragt als das berühmteste Stück der Sammlung. Das Bild zeigt wahrscheinlich die Adelsdame Caterina Sforza und gelangte für 40 Scudi (der Preis für drei Rinder) 1847 in Lindenaus Sammlung. Auch das auf Pappelholz gemalte Doppelbild des Malergenies Masaccio verdient als ein Glanzstück der Sammlung besondere Aufmerksamkeit.

Allein diese Italien-Sammlung rechtfertigt eine Fahrt nach Altenburg in das Lindenau-Museum. Dabei hat dieses Kleinod noch mehr zu bieten: Alle Museumsabteilungen zeugen von der tiefen Sammelleidenschaft ihres Gründers, der sein Museum „der Jugend zu Belehrung, dem Alter zur Erholung“ gewidmet wissen wollte. In der Thüringer Museumslandschaft sticht die Sammlung antiker Keramik (ca. 400 Stücke) ebenso heraus wie die Sammlung von Abgüssen berühmter Skulpturen der Antike, Renaissance bis hin zum Klassizismus, die heute in einem lichten Saal atmosphärisch präsentiert wird und zwischen denen man sich mit einem Museumskaffee niederlassen kann.

Michelangelos "Sterbender Sklave" räkelt sich in der Thüringischen Provinz (Abguss des im Louvre befindlichen Originals)

Einst besaß die Sammlung auch etwa 130 Kopien von Gemälden der Renaissance, die 1968 dem staatlichen Kunsthandel der DDR übergeben wurden und von denen sich heute nur noch wenige im Haus befinden. Eine 2000 Bände umfassende und vom Gründer zusammengestellte Kunstbibliothek gehört ebenso zum Museum wie eine Kollektion von Gemälden späterer Jahrhunderte und verschiedener Länder: Eine „Allegorie auf Krieg und Frieden“ von Jan Brueghel d. J. um 1630 ist ebenso zu bestaunen, wie ein „Blick vom Atelier“ des Deutschen Impressionisten Max Slevogt von 1898, ein „Arbeiterjunge im Atelier“ von Otto Dix, gemalt 1914, oder Werke eines weiteren berühmten Altenburgers, Gerhard Altenbourg. Darüber hinaus gelingt es den Wechselaustellungen , der Kunst der Moderne und Gegenwart in der vermeintlichen Provinz ein Podium zu bieten.

Zum Autor: Robert Eberhardt, Autor, Verleger des Wolff Verlags und Student der Kunstgeschichte ist Vorsitzender der Gesellschaft Kulturerbe Thüringen e.V.

Wir danken dem Museum für die Veröffentlichungsgenehmigung der Fotos (© Robert Eberhardt).

Zum Weiterlesen: Internetseite des Lindenau-Museums Altenburg

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